Timo Benitz: "Laufen bis zum Umfallen"
  04.03.2020 •     WLV , Top-News WLV , BLV , BW-Leichtathletik , Top-News BW-Leichtathletik , Leistungssport


Das Freibadgelände des Badezentrums Sindelfingen ist am kommenden Samstag (7. März) Schauplatz der diesjährigen Deutschen Crosslauf-Meisterschaften. Über 1.000 Läuferinnen und Läufer aller Altersklasse von der Jugend U16 bis zu den Senioren M85 aus 275 Vereinen haben für diese Titelkämpfe ihre Meldung abgegeben.

"Die Sportstadt Sindelfingen freut sich auf die erste Deutsche Meisterschaft im Crosslauf", betonte Sportamtsleiter Christian Keipert. Aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums des VfL Sindelfingen in diesem Jahr sei man mächtig stolz auf die Ausrichtung der Titelkämpfe, sagte VfL-Abteilungsleiter Jürgen Kohler, nachdem man in der Autostadt bereits unzählige nationale Titelkämpfe im Glaspalast ausgerichtet hat. Stattliche 1059 Teilnehmer haben für die elf Wettbewerbe im Cross gemeldet.

"Wir stellen für die Crossmeisterschaften unser Filetstück, das Bäderzentrum, mit seinen 90.000 Quadratmeter Fläche bereit", sagte Sportamtsleiter Keipert. Cross-Titelkämpfe in einem Freibad sind ein Novum und sie versprechen zuschauerfreundlichen Sport. Von einem erhöhten Bereich lässt sich praktisch die gesamte, 1,1 Kilometer lange Strecke einsehen. "Für die Instandsetzung der Rasenflächen haben wir uns auf Arbeit eingestellt", so Keipert.

"Die Crossmeisterschaften haben trainingsmethodisch zwischen den Hallenmeisterschaften in Leipzig und den Langstreckenmeisterschaften in Pliezhausen (Anm: am 9. Mai) eine wichtige Bedeutung", betont Lauf-Bundestrainer Thomas Dreißigacker den Stellenwert des Cross. Dass mit Konstanze Klosterhalfen, Alina Reh, Gesa Krause, Elena Burkard und Richard Ringer einige Topleute trainingslager- oder verletzungsbedingt fehlen, trübt diese Einschätzung allerdings.

Samstag um 12 Uhr ist in Sindelfingen "High Noon", wenn bei den Männern 124 Mittelstreckler auf die 4,4 Kilometer lange Distanz starten. "Laufen bis zum Umfallen" heißt für den frisch gebackenen deutschen 1.500-Meter-Meister Timo Benitz (LG Nordschwarzwald) dann die Devise. Taktik ist im Geläuf dann weniger gefragt. "Der Untergrund und die Bodenbeschaffenheit sortiert da aus", weiß Benitz, der bereits 2018 in Ohrdruf deutscher Crossmeister geworden war.

Das Ziel des Luft- und Raumfahrt-Studenten für 2020 ist klar: die Olympischen Spiele in Tokio. "Entweder über die Zeit (Anm: 3:35 min) oder über die Rangliste muss es klappen", ist Benitz zuversichtlich. Der Titel in Sindelfingen dürfte hart umkämpft sein. Da will eine Regensburger Phalanx mit Simon Boch, Florian Orth,  Beinlich und der Vorjahresdritte Konstantin Wedel nicht nur um den Mannschaftstitel laufen, sondern auch Einzelmedaillen absahnen. Boch hatte sich bei der EM in Lissabon als 15. bereits in starker Form präsentiert und bei Flo Orth weiß man, dass er "Cross kann".

Als großer Hoffnungsträger des Ausrichters VfL Sindelfingen präsentierte sich bei einer Pressekonferenz vier Tage vor den Titelkämpfen Paul Specht. Im Vorjahr hatte der immer noch 17-Jährige den Titel bei der U18 gewonnen, vor drei Wochen lief er in Neubrandenburg souverän zum Titel über 3.000 Meter in der Halle. Jetzt will er auch im Gelände Gold bei der U20.  

"Ich hoffe, auch hier im Freibad ganz vorne landen zu können", gab sich der Schützling von Harald Olbrich optimistisch. Die Crossmeisterschaften in Sindelfingen sind auch eine Replik an "Harry" Olbrich, der als ehemaliger Spitzenläufer (Bestzeit 3:38 min) seit 27 Jahren im VfL Talente formt und sie immer wieder in die Spitze führt. Jetzt hat er mit Specht wieder ein großes Talent in den Händen. Specht hatte beim SSV Reutlingen und beim VfB Stuttgart (als Rechtsverteidiger "der Mann mit der großen Lunge") Fußball gespielt und auf Zuraten von Olbrich den Weg zum Laufsport gefunden. "Es werden einige Zuschauer kommen, um mich anzufeuern", weiß Specht um den Heimvorteil.

Gegen Tom Förster und Julian Gehring (beide LG Vogtland) sowie dem Jugend-Vizemeister Ole Grot (TSG Bergedorf) muss sich Specht, der nur fünf Fahrradminuten von der Laufstrecke entfernt zuhause ist, allerdings strecken.

Auf der Männer-Langstrecke (9,9 km) gibt es einen klaren Favoriten: Samuel Fitwi Sibhatu (LG Vulkaneifel). Der 24-Jährige hat sich bei der Cross-EM in Lissabon als Sechster und damit bester Deutscher mächtig ins Zeug gelegt und steuert zielstrebig die EM-Teilnahme in Paris und vielleicht sogar die Olympiateilnahme in Tokio an. Hier werden die Regensburger Orth, Boch, Wedel und Beinlich erst vor Ort entscheiden, wer für einen Doppelstart motiviert ist. Welche Rolle kann der Vorjahres-U23-Meister Jens Mergenthaler (SV Winnenden) als Lokalmatador spielen?

Nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Elena Burkard, der stärksten deutschen Crossläuferin, dürfte der Titel bei den Frauen nach Berlin gehen. Wird Caterina Cranz, Doppel-Vizemeisterin in der Halle über 1.500 und 3.000 Meter, vorne sein oder ihre Vereinskameradin Deborah Schöneborn? Der Cross bringt immer wieder auch Überraschungen.  

Zu den ambitionierten Läuferinnen im Nachwuchsbereich zählt sicher auch Blanka Dörfel (LC Cottbus). Die leichtfüßige 3.000-Meter-Vizemeisterin von Neubrandenburg dürfte im Gelände gute Chancen besitzen.

Nach der Absage der Hallen-WM in Nanjing wurde nun auch die für das kommende Wochenende geplante Studenten-Cross-Weltmeisterschaft gestrichen. Die Cross-DM von Sindelfingen stand nicht zu Disposition.

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