WM Tokio 2025 | Die Hindernisse zu hoch

  16.09.2025    WLV Wettkampf BLV BLV-Wettkampf BW-Leichtathletik Top-Events Wettkampfsport
Nach starken Saisonleistungen sind die Erwartungen der deutschen Hindernisläufer Frederik Ruppert (LAV Stadtwerke Tübingen) und Karl Bebendorf (Dresdner SC) nicht erfüllt worden. Ihre Spurtstärken ließen sich nicht umsetzen. WM-Neuling Niklas Buchholz (LSC Höchstadt/Aisch) dagegen durfte die Finalteilnahme (15. Platz) positiv einordnen.

Am Ende blieb die Enttäuschung. Bei Hindernisläufer Frederik Ruppert und seiner Trainerin Isabelle Baumann von der LAV Stadtwerke Tübingen. „Frederik Ruppert ein Medaillenkandidat?“ wurde vor der WM in Tokio berechtigterweise spekuliert. Als Zweiter der Weltjahresbestentliste mit einem überragenden Deutschen Rekord (8:01,49 min) und als erster europäischer Sieger in der Diamond-League hatte der 28-Jährige die Hoffnungen befeuert. 

Doch das Rennen verlief anders als gedacht. In einem langsamen Rennen lief Ruppert an der Spitze  („Ich wollte nicht, dass langsame Läufer, die von der Unterdistanz kommen, ins Rennen gehoben werden.“). Doch Ruppert wurde im Feld durchgereicht, konnte seine Stärken als Spurtläufer am Ende nicht einbringen. Er wurde lediglich Zwölfter in 8:39,93 Minunten. Ihm liege einfach ein Rennen, das vorne auf Zug ausgerichtet ist wie in Rabbat oder Zürich besser, meinte er am ARD-Mikrofon. Am Schluss war ihm „wie der Stecker gezogen“.

„Ich bin natürlich nicht zufrieden damit“, ärgerte er sich über sein Abschneiden, fand aber rasch auch wieder zu optistischen Worten. „Es war dennoch die beste Saison meines Lebens. Ich bin mit 8:01,49 Minuten immer noch der zweitschnellste Hindernisläufer der Welt in diesem Jahr, da wollte ich hin“, sagte Ruppert. In der Tat: den Deutschen Rekord von Damian Kallabis um acht Sekunden verbessert zu haben, Diamond-Sieger in Zürich („Ein Deutscher gewinnt im Letzigrund!“ hatte der Stadionsprecher gejubelt) gewiorden zu sein, waren überragende Leistungen des Tübinger Läufers in diesem Jahr.

Nach den Gründen seiner Leistungsentwicklung gefragt meinte Ruppert: „Der Wechsel zu Isabelle Baumann nach Tübingen“ sei ein entscheidender Grund dafür. „Ich denke aber auch, wir haben in den letzten zwei Jahren im Laufbereich umgedacht und eine Umstellung im Training, weg von hohen Intensitäten hin zu höheren Umfängen, vorgenommen. Dieses Schwellentraining hat auch Jakob Ingebrigsten groß gemacht. Viele orientieren sich daran.“

Die Renn-Analyse von Trainerin Isabelle Baumann ist auch von Enttäuschung gekennzeichnet. „Ich bin eher ratlos, weil die Schwäche in der Renngestaltung sich nicht so leicht ablegen lässt.“ Und Baumann ergänzt: „Das Ergebnis lässt sich auf der physischen Seite nicht erklären“, so die ehemalige österreichische Mittelstrecklerin. „Ich fürchte, es ist ihm nicht gelungen, aus der guten Situation, in die er durch seine starken Saisonrennen gekommen ist, Kraft zu schöpfen. Es hat ihn eher erdrückt und so hat er keinen Schlüssel gefunden, in dieses Rennen zu kommen“, stellte die Trainerin kurz nach dem Rennen fest.

Trainerin und Athlet werden vermutlich auch über taktische Dinge nachdenken. Bereits im Vorlauf musste Ruppert bangen, als er erst ganz zum Schluss auf Rang vier (8:27,83 min) gerade noch ins Finale eingezogen war. 

Im Kampf um die Medaillen gab es Überraschungen. Doppel-Olympiasieger Soufinae El Bakkali (Marokko), der lange fast provozierend am Schluss gelaufen war, verpasste am Ende seinen dritten WM-Titel, weil der Neuseeländer Geordie Beamish einen sensationellen Schlusspurt hingelegt hatte. Der Mann in schwarz, als Hallen-Weltmeister über 1.500 Meter auf die 3.000 Meter Hindernis gewechselt, ließ am Ende alle Konkurrenten stehen und ließ in 8:33,88 Minuten auch El Bakkali um sieben Hundertstel hinter sich.    

Bronze gab es für den erst 17-jährigen Kenianer Edmund Serem (8:34,56 min). Kein Trost für die historische Dominanz Kenias auf der Hindernisstrecke. Diesen Serem hatte Frederik Ruppert in Zürich noch mit einem langen Spurt geschlagen. 

Ein positives Zeichen setzte Niklas Buchholz (LSC Höchstadt/Aisch). Der 27-Jährige schaffte den Finaleinzug mit einem mutigen Rennen im Vorlauf. „Es ist verrückt, hier dabei zu sein“, freute er sich auf seinen WM-Einstand und lief als Fünfter sicher ins Finale. „Das Rennen war Sch…, als es schnell wurde hat mich die Kraft verlassen“, meinte Buchholz im Ziel, nachdem er als 15. eingelaufen war. 

Sehr enttäuscht war der Deutsche Meister Karl Bebendorf (Dresdner SC) über den verpassten Finaleinzug (8:32,27 min) nach seinem sechsten Platz. Der Tod seiner Mutter wenige Tage nach den Deutschen Meisterschaft, bei der er sich in überragender Form präsentiert hatte, war eine große emotionale Belastung. „Mir fehlen die Worte, was gerade passiert ist. Mein Stärken haben mich am Ende verlassen“, äußerte sich Bebendorf sehr enttäuscht.  

Eines aber bleibt nach Tokio: der deutsche Hindernislauf hat in den letzten Jahren eine enorm positive Entwicklung genommen, nimmt man zum Tokio-Trio noch Veltin Schneider vom VfL Sindelfingen hinzu.


-------------------------------------------------
Hindernis-Historie:  Ilg und Melzer

Die deutsche Hindernisgeschichte ist reich an großen Rennen und Medaillen. Ein wackerer Schwabe hat maßgeblichen Anteil: Patriz Ilg (LAC Quelle-Fürth/München, Hofen). Der Techniklehrer von der Schwäbischen Alb hatte 1978 in Prag Silber gewonnen, 1982 in  Athen holte er Gold. Er war der Europameister, der 1983 in Helsinki auch (Sensations-) Weltmeister wurde, der erste in  der Leichtathletik-Geschichte. Er wurde berühmt durch einen Kniefall für WM-Gold, aber auch als weltbester Läufer, der nie einen Rekord lief.
1986 bei der EM in Stuttgart, bei seinem „Heimspiel“, lieferten sich Patriz Ilg, der Italiener Francesco Panetta und der Dresdner Hagen Melzer ein verrücktes Rennen. Panneta rennt allen davon, Ilg und Melzer schließen wieder auf. Am Ende gewinnt Melzer in 8:16,65 Minuten. Gold für die DDR, Panetta wird Zweiter, Ilg bleibt Bronze. Ganze 27 Hundertstel trennen die drei auf dem Podium  
         
 

Ewald Walker / wlv