Gretel Bergmann aus Laupheim


Eine Kurzbiographie
Sie ist kein historisches Beispiel für die Rolle der Frau im Sport. Jedoch belegt ihr Schicksal, wie mit jüdischen Mitbürgern – auch wenn sie Spitzensportler waren – zu dieser Zeit verfahren wurde, und es zeigt ganz typisch die menschliche Fähigkeit zur Verdrängung. Auch Leute, die den Ablauf der Ereignisse kannten, konnten sich an nichts mehr erinnern, als württembergische Zeitungen im Sommer 1996 davon berichteten, dass das Deutsche Nationale Olympische Komitee Margarete Bergmann-Lambert aus New York als eine Art Wiedergutmachung zu den Spielen in Atlanta eingeladen hatte.
Bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin wurden alle drei Medaillen im Hochsprung der Frauen mit einer Höhe von 1,60 Meter vergeben. Genau diese Höhe hatte die vereinslose Gretel Bergmann als württembergische Meisterin bei der Einstellung des deutschen Rekords am 27. Juni 1936 in Stuttgart übersprungen. Doch die erhoffte Nominierung blieb aus, denn sie war Jüdin. In einem Schreiben vom 16. Juli nannte die Reichssportführung allerdings ihre „nicht ausreichend konstanten Ergebnisse“ als Begründung. Eine Ausrede – denn die Meisterschaften galten offiziell als letzte Olympiaqualifikation und außerdem und außerdem wartete sie zu dieser Zeit schon seit fünf Jahren mit guten Leistungen aus. Bereits 1931 war sie auf Rang vier der deutschen Bestenliste zu finden. Die Sportführung hatte vorausplanend auch nur zwei der drei möglichen Startplätze vergeben.
Margarete Bergmann wurde am 12. April 1914 in Laupheim geboren, wo ihr Vater Edwin eine Fabrik besaß. Sie besuchte eine weiterführende Schule in Ulm. Dort legte sie 1933 das Abitur ab. Überörtlich fiel sie erstmals beim Landesturnfest 1929 in Heilbronn auf, wo sie für den TV Laupheim als 15-jährige im Vierkampf der 18-jährigen den sechsten Platz belegte. Später startete sie bis 1933 für den FV Ulm. Dort gewann sie bei den Kreismeisterschaften 1932 sieben Titel und war in jener Zeit Landes- und Süddeutsche Meisterin im Hochsprung. Nach dem Abitur nahm sie ein Studium in London auf, trieb weiterhin Sport und war 1934 englische Meisterin. Dieser sportliche Erfolg veranlasste die Sportführung, sie nach Deutschland zurückzurufen und formal in den Olympia-Kader einzureihen. Da deutsche Sportvereine sie nicht wieder aufnahmen, startete sie für den „RJF“, den nach dem ersten Ersten Weltkrieg gegründeten Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten, der eine eigene Sportabteilung („Schild“) unterhielt. Für den RJF wurde sie 1935 württembergische Meisterin, die Teilnahme an der DM wurde ihr mit dem Hinweis verwehrt, der „Schild“ sei nicht DLV-Mitglied. Ungeachtet der Schikanen trainierte sie weiter und steigerte sich bei den württembergischen Meisterschaften als vereinslose Teilnehmerin – der RJF existierte nicht mehr – auf die Rekordhöhe von 1,60 Meter.
Bis zuletzt konnte sie nicht glauben, dass eine Organisation, die sie in den Olympiakader berufen hatte, überhaupt nicht daran dachte, sie auch starten zu lassen. Selbst Gauamtsleiter Christoph Bauer äußerte sich in einer Presseanalyse zu Jahresbeginn optimistisch zu ihren Aussichten. Doch ließen die im September 1935 beschlossenen „Nürnberger Gesetze“ den repräsentativen Einsatz von Juden gar nicht mehr zu, auch wenn man, um Boykottdrohungen entgegen zu wirken, das Gegenteil beteuerte. Denn als die US-Mannschaft ihre Reise nach Berlin angetreten hatte und der mögliche Boykott damit unterlaufen war, erhielt Gretel Bergmann die erwähnte Absage, mit der eine Welt für sie zusammenbrach. Bitter enttäuscht beantragte sie ein Visum für die USA und emigrierte 1937. Dort arbeitete sie zunächst als Hausmädchen und Physiotherapeutin. Erstaunlicherweise wurde sie noch US-Meisterin im Hochsprung und Kugelstoßen. Sie heiratete später den Arzt Bruno Lambert, einen ehemaligen Weitspringer aus Köln.
Aus dem Buch „Zeitnahme“ von Manfred Schwinghammer, herausgegeben 2000 von der Gesellschaft zur Förderung der Leichtathletik in Württemberg mbH